Hypnose - Anwendungsbereiche:

Wege zur Gelassenheit

Inhalt:

Wortherkunft und Bedeutung

Der aus dem Mittelhochdeutschen stammende Begriff Gelassenheit umfasste in seiner frühen Bedeutung mehr als die Vorstellung von innerer Ruhe. Er geht zurück auf das Verb „lassen“ (mhd.: „lâʒen“) und bedeutet, etwas bewusst nicht zu tun (in Abgrenzung zum Nichtstun), zu unterlassen oder auch – im religiösen Kontext – es Gott zu überlassen.

Sich niederlassen, zur Ruhe kommen, Maß halten, loslassen, sich gottergeben verhalten und sich auf Gott verlassen – all das sind Bedeutungsvarianten, die der Begriff umfasst. Speziell Mystiker wie Meister Eckhart begriffen Gelassenheit als Voraussetzung, um die Unio Mystica, die Vereinigung der Seele mit Gott, geschehen lassen zu können, weshalb Gelassenheit in Meister Eckharts Schriften, auch wenn sie nicht immer explizit erwähnt wurde, eine besonders wichtige Rolle spielte.

Auch in der Philosophie nahm und nimmt die Gelassenheit den ihr zustehenden Raum ein. So verstanden die Stoiker der griechischen Antike unter Gelassenheit einen Zustand der Seelenruhe, der durch Akzeptanz des Bestehenden zur Weisheit findet.

Ähnlich lässt sich der Begriff Gelassenheit im Buddhismus interpretieren, der einen persönlichen Gott nicht kennt. Gelassenheit resultiert hier aus Achtsamkeit gegenüber sich selbst und dem Wissen, dass alles, was ist, sich im Werden und Vergehen befindet. In Abwandlung einer von Buddha überlieferten Äußerung könnte man sagen: Es gibt keinen Weg zur Gelassenheit. Gelassen sein ist der Weg.

Dem Philosophen Heidegger schien Gelassenheit eine der zwei wesentlichen Modi des Seins, um mit den Bedrohungen der Moderne umzugehen. Und auch der Philosoph Wilhelm Schmid wurde 2015 für einen Essay über die Gelassenheit bekannt, der zugleich ein Appell ist, sich von den Wutbewegungen unserer Zeit abzukehren.

In der Psychologie wird Gelassenheit als Fähigkeit definiert, innere Ruhe oder inneren Gleichmut auch dann zu bewahren, wenn man unter Stress oder in eine Gefahrenlage gerät. Gelassen zu bleiben, bedeutet dabei nicht, keine Emotionen zu empfinden, sondern diese wahrzunehmen und adäquat reagieren zu können. Ein gelassener Mensch reagiert beispielsweise auf Wut, die ihm von anderen Leuten entgegengebracht wird, nicht ebenfalls mit Wut, sondern würde versuchen, die Situation unabhängig von den damit verbundenen Emotionen in Ruhe zu betrachten und eine Lösung zu finden.

Gelassenheit ist damit ein Wert, der nicht allein einem moralischen oder religiösen Gebot entspricht. Gelassenheit macht das Leben leichter, angenehmer, und führt beim Individuum dazu, Stress abzubauen und die Dinge stattdessen mit Gleichmut, Achtsamkeit und Lebensfreude anzugehen.

Woran merke ich, dass es mir an Gelassenheit fehlt?

Manche Menschen sind von Natur aus gelassener, andere bringen schon Kleinigkeiten aus der Ruhe, sodass sie verängstigt, wütend oder empört auf Situationen reagieren, die sich vor allem in ihren Gedanken oder Gefühlen zu großen Ereignissen aufbauen. Wie wir auf andere reagieren und ob wir in Gefahr oder bei emotionaler Belastung gelassen bleiben, hängt nämlich viel weniger von unserer augenblicklichen Situation ab als davon, ob wir Gelassenheit überhaupt anstreben oder „aus dem Bauch heraus“ agieren wollen.

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Urheber: ©twinlili/ PIXELIO

Vielleicht kennen Sie das ja:

  • Ein Fremder macht einige Schritte auf Sie zu und Sie fürchten sofort, dass die Person Sie belästigen oder ausrauben könnte.
  • Sie stehen im Fahrstuhl und ein leichtes Ruckeln lässt Sie befürchten, dass der Fahrstuhl in die Tiefe stürzen könnte, obwohl sich niemand sonst beunruhigt zeigt.
  • Sie haben einen Fehler gemacht, der nicht weiter dramatisch ist. Aber in Gedanken verfallen Sie sofort in eine wütende Schimpftirade: Warum hast du das nur getan? Immer machst du alles falsch, nie weißt du, was zu tun ist, lerne doch endlich mal dazu, warum fällt immer dir das Glas um, da brauchst du dich nicht zu wundern, wenn du bald keinen Job mehr hast – und so weiter und so fort.
  • Jemand bittet Sie um einen Gefallen und anstatt ihm mit einer kleinen Geste entgegenzukommen, muss alles bis zur Perfektion geregelt werden. Sagt die Person dann: Aber das brauchst du doch nicht, ich wollte doch nur … reagieren Sie verärgert und denken sich insgeheim: Ihr könnt mich mal!

Diese und ähnliche Reaktionen deuten darauf, dass Sie dringend daran arbeiten sollten, gelassener zu werden. Auch dann, wenn Sie sich gerade überfordert fühlen, gestresst und angespannt oder wenn Sie das Gefühl haben, in einem Irrenhaus mit lauter unfreundlichen Leuten zu leben: Sie können es nicht ändern. Aber es ändert Sie, wenn Sie nicht Ihren eigenen Weg finden, loszulassen und zu entspannen, um in all den vielen emotional aufgeladenen Situationen gelassener agieren und reagieren zu können.

Schon einfache Suggestionen helfen Ihnen, die körperliche, geistige oder psychische Aufregung zu bewältigen, beispielsweise: Atme tief durch und fühle deine innere Ruhe.
Haben Sie so einen Moment innegehalten, werden automatisch weitere Gedanken und Gefühle abgerufen, die verhindern, dass Sie auf Aufregung mit Aufregung reagieren. Nehmen Sie sich also fest vor, sich auch beim nächsten Mal wieder mit einer Suggestion wie „atme tief durch“ von vorschnellen und unangemessenen Reaktionen zu distanzieren.

Und wieder gilt auch: Es handelt sich hierbei nicht allein um ein moralisches Gebot. Wer sich als unfähig erweist, innezuhalten und mit Achtsamkeit und Gelassenheit zu reagieren, wer sich ständig in innerem Aufruhr befindet, der setzt sich nämlich der Gefahr aus, zu erkranken.

Schließlich deutet schon die Art und Weise, wie manche Menschen harmlose Situationen interpretieren und mit Bedeutung aufladen, darauf hin, dass ihre Psyche ein wenig mehr Gleichmut gut vertragen könnte. Aber nicht nur die Seele leidet unter einem überängstlichen oder aufbrausenden Gemüt, auch der Körper und die inneren Organe werden dadurch belastet und sind in der Folge anfälliger für eine Vielzahl psychosomatischer Erkrankungen: von den ständig wiederkehrenden Infekten über Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit bis hin zum Herzinfarkt.

Wer dagegen auch im Stau noch lächelt, weil er weiß, dass ein grimmiges Gesicht nichts an der Situation ändert, wer sich von der Hektik im Büro nicht anstecken lässt und ruhig auf Unerwartetes reagiert, tut nicht nur Körper und Gesundheit einen Gefallen, er erhöht auch Lebensfreude und Lebensqualität.

Gelassene Menschen nämlich arbeiten nicht nur konzentrierter und erfolgreicher, sie sind auch kreativer, treffen fundierte Entscheidungen und sind daher bei anderen Leuten auch dann noch beliebt, wenn sie mal wieder als Erster die Beförderung oder eine Prämie erhalten.

Wut macht blind, heißt es nicht umsonst, aber auch romantische Liebe, Stress, Perfektionismus, überzogene Erwartungen, Aggressionen und Ängste können unsere Sichtweise einschränken. Gelassenheit dagegen schärft den Blick für unsere Möglichkeiten und Chancen. Und sie versorgt uns mit dem ebenfalls notwendigen Gleichmut, auch Niederlagen einstecken oder persönliche Grenzen bewusst entspannt hinnehmen zu können.

Gelassenheit trainieren

Das Gute an der Gelassenheit ist, sie lässt sich überall und in jeder Lebenslage trainieren. Viele Leute glauben dies anfangs nicht, meinen, es sei in bestimmten Situationen unbedingt erforderlich, dass man sich auch mit Wut, Trauer oder Ärger konfrontiere.

Daran ist nichts Falsches, denn innere Ruhe und Gelassenheit dürfen nicht etwa mit Gleichgültigkeit oder Gefühllosigkeit verwechselt werden. Und Gelassenheit zeichnet sich auch nicht durch Inaktivität aus – das Gegenteil ist der Fall. Nur kommt es eben immer darauf an, das richtige Maß zu finden zwischen bewusster Aktivität und entspanntem Geschehenlassen (nicht: ängstliche Passivität), zwischen Spannung und Entspannung, Arbeit und Pausen, Konzentration und Träumereien.

Wollen Sie gelassener werden, beginnen Sie mit dem einfachsten: Atmen Sie bei unerwarteten Schwierigkeiten zunächst einmal tief durch. Vielleicht auch zwei oder dreimal, so lange eben, bis Sie etwas Abstand zu Ihrer spontanen Empfindung gefunden haben.

Schauen Sie mit Ruhe auf das Geschehen und nehmen Sie sich bewusst Zeit, es entspannt und gelassen zu beurteilen – achten Sie dabei auch auf Ihre Gedanken und Gefühle. Denn oftmals ist es nicht das Geschehen oder der Anlass, der Ärger oder Angst in uns auslöst, sondern es sind unsere eigenen inneren Regungen, das, was wir in diesem Moment fühlen, interpretieren oder fürchten.

Fragen Sie sich stattdessen, was in der augenblicklichen Situation schlimmstenfalls passieren kann. Verpassen Sie Ihren Bus? Müssen Sie einen Termin absagen? Muss die Tischdecke schon wieder gewaschen werden? Wird der Fremde, der sich beim Bäcker vorgedrängelt hat, den Laden eine Minute früher verlassen als Sie?

Und wie würde sich die Situation verändern, wen Sie jetzt, statt den Busfahrer zu verfluchen, ein Taxi rufen? Wenn Sie den Termin um ein paar Minuten verschieben? Wenn Sie jemandem, der es sichtlich eilig hat, einfach mal mit einem freundlichen Lächeln den Vortritt lassen? Wenn Sie Ihre Übung in Achtsamkeit und Gelassenheit nutzen könnten, um eine negativ aufgeladene Situation zu entschärfen oder um fröhlich mit genau dem Wind voranzusegeln, der Ihnen gerade noch kalt ins Gesicht blies?

Damit wir uns nicht falsch verstehen, es geht nicht darum, Konfrontationen zu vermeiden. Sie sollen sich auch in Zukunft nicht einfach beiseiteschieben lassen. Es geht darum, alternative Verhaltensweisen zu finden und damit Ihr Repertoire so zu erweitern, dass Aufregung, Ärger, Versäumnisse, Beleidigungen, Stress, Hektik und kleine Gefahren Sie nicht gleich aus der Haut fahren lassen.

Das Leben verläuft nicht immer nach Fahrplan. Nicht die Umstände müssen sich anpassen, sondern wir müssen flexibel bleiben. Und das erreichen wir nur durch Gelassenheit und Übungen, die uns helfen, diese zu erlangen.

Neben der Achtsamkeit, die Sie auf Ihre Gefühle und Gedanken lenken, können Sie einen Kurs für Entspannungstechniken belegen, um Ihrem Ziel, gelassener zu werden, näher zu kommen. Entspannungstechniken wie Yoga oder Autogenes Training bieten hier gute Möglichkeiten und natürlich Methoden der Selbsthypnose, bei denen Sie einfache Suggestionen verankern, die zum rechten Zeitpunkt abgerufen, ebenfalls dazu beitragen, dass sich innere Ruhe und Gelassenheit auch in schwierigen Situationen einstellen.

Dekalog der Gelassenheit – zehn Übungen, die zu innerer Ruhe führen

Gelassenheit, das war unser Ausgangspunkt, ist nicht einfach nur ein Begriff unter vielen, es stecken ein Konzept und eine Philosophie dahinter, die Christen ebenso erreichen und ansprechen wie Juden, Muslime, Buddhisten oder Hinduisten und alle, die einer anderen oder auch keiner Glaubenslehre folgen.

Wenn ich an den Schluss dieses Beitrags einen Dekalog stelle, als dessen Autor Papst Johannes XXIII. gilt, so tue ich dies nicht in der Absicht, die christliche Botschaft zu verbreiten, sondern weil ich finde, dass die im Dekalog enthaltenen Aussagen für alle Menschen eine gute Grundlage bieten, sich in Gelassenheit zu üben.

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