Die Verletzung Ihres Rückens oder Beines liegt schon Jahre zurück. Doch noch heute reicht ein Wetterumschwung, eine ungünstige Berührung oder Bewegung aus, um Sie zusammenzucken zu lassen. In vielen solcher Fälle hat sich hierbei in unserem Nervensystem ein Schmerzgedächtnis entwickelt, welches sich an bestimmte, oft schon geringe Auslösereize gekoppelt hat und chronische Schmerzen hervorruft. Lesen Sie hier, wie so ein Schmerzgedächtnis entsteht, wie es sich äußert, wie es vermieden werden kann und was es für Möglichkeiten gibt, um dieses Gedächtnis zu löschen.
So kurios es auch klingt, aber Schmerzen kann man wirklich erlernen – besser gesagt unser Körper.
Rund zwei Drittel der Menschen in Europa leiden mindestens einmal in der Woche unter Schmerzen. Dabei bilden chronische Schmerzen den Schwerpunkt der auftretenden Symptome. Auf dem Deutschen Schmerzkongress werden Schmerzen aufgrund der Aktualität daher nicht mehr nur noch als Symptom angesehen, sondern als eine eigenständige Krankheit betrachtet und behandelt. In diesem Zusammenhang spielt die Erkenntnis, dass Nervenzellen über die Zeit hinweg ein sogenanntes Schmerzgedächtnis entwickeln können, vor allem in den letzten Jahren eine besondere Bedeutung.
Bestehen Schmerzen über einen längeren Zeitraum und bleiben sie unbehandelt, dann sind die Nervenzellen einem ständigen Reiz ausgeliefert, die den Schmerzimpuls durch den Körper leiten. Signale werden an das Gehirn weitergeleitet, welche bei jedem neuen Auftreten des Reizes immer stärker werden, bis die Zelle irgendwann spontanaktiv wird. Dies bedeutet, dass unter Umständen keine Entzündung mehr vorhanden sein muss, es aber trotzdem schmerzt, da diese Nervenzelle dem Gehirn meldet, dass dort noch etwas ist. Sind die Nervenzellen einem ständigen Schmerzimpuls ausgesetzt, verändern sie irgendwann ihre Aktivität – sie melden sich auch dann, wenn nur ein leichter, sensibler Reiz erfolgt, wie eine kurze Berührung. Durch Bildung neuer Eiweißketten wird die Zellmembran so verändert, dass die Nervenzelle noch schneller als gewöhnlich reagiert. Die Folge: mehr Schmerz.
Schmerz kann u.a. durch kleine Verletzungen, beispielsweise in Folge eines Sturzes entstehen. Dann kann die Angst vor einer womöglich ernsteren Verletzung hinzukommen, welche durch falsche Informationen oder negative Erfahrungsberichte ähnlicher Erkrankungen von Freunden bestätigt werden kann. In solchen Fällen werden körperliche Schmerzen mit seelischen Unsicherheiten und Ängsten verbunden, was schnell dazu führen kann, dass ebenfalls benachbarte Nerven in einen Alarmzustand versetzt werden und empfindlicher für ankommende Reize sind, welche unter anderen Umständen gar keine Beschwerden verursacht hätten. Ähnliches findet sich auch bei Betroffenen, welche durch ihre Vergangenheit beeinflusst sind. Gab es zum Beispiel vermehrt Krankheiten in der Familie, wie Bandscheibenvorfälle, Lungenentzündungen oder sogar Krebserkrankungen, kann sich die Angst der Betroffenen schnell in Schmerzen verwandeln, welche auf die jeweiligen Körperbereiche bezogen werden. Wenn dann in diesem Bereich des Körpers eine vergangene oder gegenwärtige Verletzung vorliegt, kann der psychische Druck den vorhandenen Schmerz noch verstärken.
Eine Spritze hier oder eine Tablette da kann manchmal wirklich hilfreich sein, aber wenn man wirklich langfristig von seinen Schmerzen befreit sein möchte, dann müssen umfassendere Methoden gesucht und angewendet werden. In diesem Zusammenhang können Methoden aus der Psychotherapie eingesetzt werden, wobei man grundsätzlich zwischen psychodynamischen Verfahren wie Psychoanalyse oder Tiefenpsychologie und der Verhaltenstherapie unterscheidet. Bei der psychodynamischen Behandlung wird vermehrt die Vergangenheit der Betroffenen betrachtet, um den Grund oder den Auslöser der Schmerzen zu finden. Bei der Verhaltenstherapie geht es eher darum durch Entspannungs- und Bewegungstrainings zu lernen, was dem Rücken gut tut und negative Gedanken, Gefühle und insbesondere Verhaltensmuster zu verändern, welche den Schmerz aufrechterhalten oder sogar verschlimmern.
Egal für welchen Weg der Behandlung man sich entscheidet, wichtig ist es, niemals die Disziplin und vor allem die Motivation zu verlieren, das Gelernte auch im Alltag einzubinden.